Sonntag, 13. Mai 2012

Mein Leben im Isaan


Herzlich Willkommen bei meinem Blog ueber mein Leben in Thailands Nordosten, dem Isaan.

Beim Kosa-Stammtisch in Khon Kaen im Kosa Beer-Garden.

Der Isaan hat eine eigenständige Kultur 
und pflegt Sitten und Gebräuche


Kambodscha und Laos haben in der Vergangenheit über Jahrhunderte die Geschichte des Nordostens bestimmt. Hier war der Schauplatz der kriegerischen Auseinandersetzungen der Könige Thailands mit den kambodschanischen und laotischen Herrschern, und das Gebiet wechselte häufig die Zugehörigkeit zwischen Thailand und den Nachbarstaaten.
Karte vom Nordosten Thailands, dem Isaan.

Die Völkerschaften dieser Länder sind noch heute im Isaan ethnisch präsent, sowohl in den Gesichtszügen der Menschen wie in ihren Sprachen und Gebräuchen. Der grössere Teil der Bevölkerung besteht ethnisch aus Lao und spricht auch einen laotischen Dialekt, der viele Gemeinsamkeiten mit der Thai-Sprache hat. Die Menschen haben einen zierlichen Körperbau und Stupsnasen, die vor allem den jungen Mädchen gut zu Gesicht stehen.


Im östlichen Teil des Landes hingegen, in der Gegend um Buri Ram und Surin, in ehemals zu Kambodscha gehörenden Gebieten, die von den Siamesen während ihrer Eroberungszüge besetzt wurden, sind die Bewohner ethnisch Khmer. Sie haben einen stabileren Körperbau, gerade Nasen und allgemein eine etwas dunklere Hautfarbe als die Lao.
Wenn man eines der Mädchen fragen würde, was es sich am meisten wünscht, dann würde es sich sicher eine hellere Hautfarbe wünschen. Anders als bei uns, wo eine gebräunte Haut als schön gilt, versuchen die Mädchen, die bei der Feldarbeit den ganzen Tag der sengenden Sonne ausgesetzt sind, sich durch um den Kopf gewickelte Tücher und Handschuhe vor dem Braunwerden zu schützen.
Die Menschen hier sprechen einen gutturalen kambodschanischen Dialekt, der sich im Sprachstamm sowohl von der thailändischen, als auch von der laotischen Sprache völlig unterscheidet.
Ein Synonym für Dürre und Armut
Die Zentralregierung mag es allerdings nicht, wenn die Bewohner des Isaan als Thai-Laoten bezeichnet werden, und im übrigen Thailand hat das Wort „Lao“ einen minderwertigen Unterton. Es ist ein Synonym für Dürre, Armut und Landflucht.
Wenn wir mal in die Stadt fahren müssen, und ich bin nach Meinung meiner Frau nicht ordentlich genug gekleidet, dann sagt sie: „Du siehst aus wie ein Lao“.
Wenn man ein paar typische Beispiele für die Werteordnung der Menschen im Isaan anführen sollte, dann wären es etwa die folgenden:
• Leben in Gemeinschaft geht über Privatatmosphäre
• Geld machen geht über ethische Regeln
• Schnell und einfach geht über korrekt und mühselig
• Freundliche Unterhaltung ist besser als theoretische Diskussion
• Äusserlichkeiten gehen über innere Werte
• Das Jetzt ist wichtiger als Zukunftsplanung
Die Zentralregierung ist bemüht, auch den Isaan in den thailändischen Kulturkreis zu integrieren. Die Menschen im Isaan setzen dem aber passiven Widerstand entgegen und versuchen, ihre heimische Kultur und Sprache zu erhalten. Sie bilden auch heute immer noch eine von den Menschen Kernthailands sehr verschiedene Kulturgruppe, mit eigener Sprache, eigenen Sitten und Gebräuchen sowie eigener gesellschaftlicher Gliederung. Die Kinder werden in den Schulen zwar nur in der Thai-Sprache unterrichtet, aber viele fangen erst dann richtig an, diese Sprache zu erlernen, wenn sie eingeschult werden.
Organisationen und Vereine zur Pflege der heimischen Kultur werden von der Zentralregierung in Bangkok in keiner Weise unterstützt, sondern im Gegenteil in ihrer Arbeit behindert, weil man separatistische Aktivitäten befürchtet. Diese Furcht ist im nicht ganz unbegründet, denn in den 50er und 60er Jahren gab es im Isaan starke separatistische Bestrebungen und sogar Partisanentätigkeit, die von der Armee blutig niedergeschlagen werden musste.

Die jahrhundertelange Abschliessung vom übrigen Thailand hat im Isaan nicht nur zu unterschiedlichen sprachlichen und kulturellen Entwicklungen geführt, sondern auch zu einem gewissen Misstrauen und Widerstand gegen alles, was aus Bangkok kommt.
Starke Bindung an das Königshaus


Eine Ausnahme macht die Verehrung des Königs. Sie ist im Isaan mindestens genau so ausgeprägt wie im übrigen Thailand. Das Bild des Königs und der Königin hängt fast in jedem Wohnraum, jeder Gaststätte und jedem Hotel. Niemand im Isaan würde daran denken, einer Kino-Vorführung beizuwohnen, bevor er nicht am Anfang des Films beim Abspielen der Königshymne dem König stehend seine Referenz erwiesen hat. Wie stark die Bindung der Menschen an das Königshaus ist, zeigt unter anderem auch die Tatsache, dass Muttertag in Thailand jedes Jahr am 12. August, dem Geburtstag der Königin, gefeiert wird.
Der Isaan hat eine lange Geschichte und daraus resultierende Traditionen, die von Generation zu Generation weiterge- geben wurden. Das sind neben vielen sich von Zentralthailand stark unterscheidenden Sitten und Gebräuchen vor allem Speisen, Lieder, traditionelle Kleidung, Weberei usw. Im Osten des Isaan ist der Einfluss des nahen Kambodschas zum Beispiel an der Männerkleidung sichtbar. Die Männer in den Dörfern des Grenzgebietes tragen die typische Kleidung der Khmer, bei nacktem Oberkörper einen Männersarong und ein wie ein Turban um den Kopf geschlungenes Tuch.
Dieses Tuch dient verschiedenen Zwecken. Es kann als Gürtel, als Kopftuch oder aber auch als Tragetasche dienen. Bei Bedarf kann das Ende des Pakama genannten Sarongs von hinten zwischen den Beinen durchgezogen und vorne in das um den Bauch geschlungene Tuch gesteckt werden. Das ergibt dann eine Art Hose.
Farmer mit seiner Frau auf dem Reisfeld.

Bei der Arbeit auf den Feldern ist es kaum möglich, Männer und Frauen zu unterscheiden. Alle sind vom Scheitel bis zu den Füssen eingepackt, um die brennenden Sonnenstrahlen abzuhalten, und die Mädchen wollen natürlich nicht zu „schwarz” werden.
Junge Mädchen tragen heute gerne westliche Kleidung, also Jeans und T-Shirts. Sobald sich ein bisschen Busen ausbildet, ist ein Büstenhalter obligatorisch, selbst wenn es noch nicht viel zu halten gibt. Es gilt als äusserst unschicklich, wenn sich unter der Bluse oder dem Pulli Brustwarzen abzeichnen. Verheiratete Frauen tragen fast alle Sarongs, von denen sie mehrere Exemplare für den täglichen Gebrauch, aber auch einige, oft selbstgewebte wundervolle Stücke besitzen, die zu festlichen Anlässen angelegt werden. Dabei läuft man entweder barfuss oder in einfachen Plastiklatschen.

Unsere liebreizende Tochter in Schuluniform am Tag des Lehrers.
Die Schulkinder tragen alle Schuluniformen, die Jungen eine kurze khakifarbene Hose und ein weisses Hemd, die Mädchen einen schwarzen Rock und eine weisse Bluse. Der Kauf der obligatorischen Schulkleidung – es müssen ja mindestens zwei komplette Exemplare sein, da eines jeden Tag gewaschen werden muss - kann für arme Eltern eine erhebliche Belastung sein.
Ganz im Gegensatz zu dem, was mancher Farang, der den Betrieb in den Touristenorten sieht, annehmen wird, ist die Sexualmoral auf dem Land viel strenger als zum Beispiel bei uns. Körperkontakte zwischen Männern und Frauen sind in der Öffentlichkeit tabu. Strenge Verhaltensmuster regeln das Verhältnis der Geschlechter untereinander, und es gilt als äusserst unschicklich, Gefühle zwischen Mann und Frau in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Wenn die Bezeichnung Thailands als das Land des Lächelns wahr ist, dann sicher im Isaan. Wer das wirkliche Thailand sucht, der wird es hier, weit ab von den grossen Städten, bei den zwar armen, aber dem Besucher aus dem fernen Europa gastfreundlich entgegenkommenden Menschen finden. Obwohl natürlich auch hier durch das Fernsehen, das Schulsystem und die Töchter des Landes, die in den Touristenhochburgen tätig sind, sich einige westliche Wertvorstellungen und Sitten - und nicht immer die besten - eingeschlichen haben, haben die Menschen, vor allem in den kleinen Dörfern, kaum etwas von ihrem traditionellen Lebensrhythmus und ihren Gebräuchen aufgegeben.

Das gilt vor allem für alles, was man in Thailand mit „sanuk“ bezeichnet. Wenn man im Wörterbuch nachschlägt, dann wird „sanuk“ mit Spass, Vergnügen übersetzt. Für die Menschen im Isaan ist „sanuk“ aber mehr als nur Spass, sondern es drückt vielmehr ihre Lebensphilosophie aus. Das heisst nicht etwa, dass sie nur oberflächlich dahinleben und die Realitäten des Lebens nicht sehen wollen. Sanuk ist vielmehr ein Ausdruck für ihre angeborene Lebensfreude, ohne die das Leben eine eintönige und trostlose Sache wäre. Alle Erfahrungen werden in „sanuk“ und „mai sanuk“ eingeteilt.

Meine liebe Frau (rechts) im Kreise ihrer Familie.
Gut essen, mit Freunden zusammensitzen, einen Film sehen und natürlich feiern, das ist „sanuk“. Arbeit dagegen ist „mai sanuk“, vor allem wenn sie eintönig ist und nicht mit Freunden zusammen durchgeführt wird, so dass es keine Gelegenheit zu einem Schwätzchen oder Spässchen gibt.

Lotterie-Losverkaeufer warten auf Kundschaft.
Charakteristisch für die Menschen im Isaan ist auch deren Leidenschaft für Glücksspiele. An den Strassen in den Städten sitzen überall ambulante Lotterieverkäufer - häufig Blinde - und bieten Lose der Staatlichen Lotterie an. Wer nur irgendwie ein paar Baht in die Finger kriegt, kauft sich alle zwei Wochen möglichst mehrere Lotterielose. Gekauft wird aber nicht irgendein Los, sondern Lose mit bestimmten Endnummern. Die Glücksnummern hat man entweder geträumt oder - noch häufiger - beim Tempelbesuch aus einer mit numerierten Stäbchen gefüllten Trommel geschüttelt.
Und da das noch nicht reicht, gibt es überall in der Nachbarschaft, meist im kleinen Laden an der Ecke, schwarze Lotterien, wo man Wetten auf die letzten Zahlen abschliessen kann, mit der das grosse Los bei der nächsten Ziehung der Staatlichen Lotterie herauskommt.
Solch illegale schwarze Lotterien, deren Gewinnzahlen mit den Nummern der staatlichen Lotterie identisch sind, gibt es in jedem Dorf. Wenn man auch ganz selten dabei von der Polizei erwischt wird, so noch viel seltener von einem Lotteriegewinn.
Wegen der Leidenschaft der Thais für Glücksspiele sind diese gesetzlich verboten. Das Gesetz wird aber sinnigerweise bei Todesfällen ausser Kraft gesetzt. Ist jemand im Dorf gestorben, so wird die Gelegenheit genutzt, ungestraft ein Spielchen machen zu können. Wenn man dann abends zum Trauerhaus kommt, sitzen sowohl um den Sarg herum, als auch vor dem Haus, Spielerrunden und zocken, was das Zeug hält. Falls jemand aus einer wohlhabenden Familie gestorben ist, also auch betuchte Trauergäste zu erwarten sind, reisen die Berufszocker aus der ganzen Gegend an, um die Trauergäste auszunehmen.

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