Donnerstag, 26. April 2012

Sex-Tourismus




Wenn man so wie ich hier in Thailand, im Nordosten des Landes, in Khon Kaen, lebt, dann ist man zwar weit weg von den Touristenmetropolen wie Pattaya oder Phuket und Bangkok, man kann aber dennoch die Augen nicht verschließen vor dem Problem der Prostitution in Thailand. 
Auch wenn in Thailand die Prostitution an sich gegen Strafe streng verboten ist.


Dieses Problem bereitet selbst dem Papst in Rom einen Grund sich sorgenvoll damit zu befassen.




Benedikt XVI. hat die internationale Gemeinschaft und die Tourismusbranche zu mehr Einsatz gegen "Sextourismus" aufgerufen. In seiner Botschaft zum internationalen Kongress für Tourismusseelsorge, der in dieser Woche im mexikanischen Cancun stattfindet, nennt der Papst als ersten negativen Aspekt des Tourismus den Sextourismus: 
Das Phänomen sei „eine der niederträchtigsten Formen“ menschlicher Verirrungen, es zerstöre Individuen, Familien und „manchmal ganze Gemeinschaften“.




Schätzungen gehen derzeit von etwa 20 bis 40 Millionen Prostituierten weltweit aus, in Brennpunktländern wie Brasilien, Indien, Thailand und den Philippinen ist ein erheblicher Teil der Betroffenen minderjährig. Schwester Michelle Lopez von der Kongregation „Schwestern vom Guten Hirten“ betreut ein Frauenzentrum im thailändischen Badeort Pattaya. 


„Zwischen 200 und 300 Frauen kommen täglich zu uns, von Montag bis Freitag. Sie brauchen Beratung und alles, was heilt, sie müssen ihre Würde zurückerlangen und neu integriert werden. Wir beraten, therapieren, bieten Bildungsmöglichkeiten: Frisieren, Nähen, traditionelle Massage, Computerkurse, Englisch- und Sprachunterricht, die wir dank Freiwilliger aus ganz Europa anbieten können. Durch diese Möglichkeiten bekommen die Frauen die Kraft, Entscheidungen zu treffen und mehr Autonomie zu erlangen.“

Wenn die Frauen ins Zentrum kommen, tragen sie neben körperlichen Spuren des Missbrauchs tiefe seelische Wunden mit sich. Die Betreuung führt oft auch die Schwestern an die eigenen Grenzen:

„Das erste, was wir tun, wenn sie zu uns kommen, ist, ihnen den größtmöglichen Respekt entgegen zu bringen, egal, wer da kommt. Es mag seltsam klingen, aber sie können das nicht akzeptieren, sie sind schockiert, dass sie das erste Mal in ihrem Leben wie eine menschliche Person behandelt werden. Ein Mädchen auf der Straße hat mir einmal gesagt: es ist nicht so sehr der physische Missbrauch, es sind die Worte. Sie schneiden mir ins Herz und brechen mich entzwei.“



Die erste „seelische Vergewaltigung“ der jungen Frauen finde oftmals im engsten eigenen Umfeld statt, berichtet Schwester Lopez. Dienste für Sextouristen stünden meist am Ende eines langen Leidensweges:

„Viele der Frauen und Kinder erfahren zu Hause sexuelle und häusliche Gewalt, Armut, Inzest, verbale Aggressionen, sie lernen von Anfang an Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Wir lernen zivile Rechte und Freiheit nicht aus den Dokumenten der Vereinten Nationen, sondern in der Familie. Und wenn der Ort, der Kindern Schutz bieten sollte, zum Ort der Unterdrückung und Ungerechtigkeit wird, wird das Rechts- und Freiheitsverständnis eines Kindes ernsthaft entstellt.“

Der internationale Tourismus hat das Sex-Geschäft und den Menschenhandel in vielen Ländern der Welt angekurbelt. 





Das Wohlstandsgefälle zwischen den Ländern ist ein weiterer Grund, warum viele Frauen mit Prostitution ihren Lebensunterhalt bestreiten, Eltern ihre Kinder verkaufen oder Menschenhändler in der Branche lukrative Geschäfte machen können. Mit Nachfrage und Armut lässt sich das Phänomen aber nicht erschöpfend erklären, räumt Schwester Lopez ein:

„Man kann die Tatsache nicht ignorieren, dass Armut eine der Hauptursachen ist, allerdings gibt es auch betroffene Frauen aus der Mittelschicht und umgekehrt sehr, sehr arme Menschen, die nicht in die Prostitution verstrickt sind. Armut ist also nicht zwangsläufig der Grund.“


Die Ursachen liegen tiefer, sie haben mit Macht und Geschlechterverhältnissen, mit kultureller Prägung und emotionaler Verrohung zu tun – Schlüsselfragen, die für Schwester Lopez im Westen wie in den Zielländern des Sextourismus nicht umgangen werden können:

„Wir müssen die Mechanismen kennen, die zu diesem Kreislauf führen, es geht um Bewusstsein, und es geht um Erziehung. Wir müssen unsere Männer, Söhne, Brüder, Ehemänner über ihre Rechte, Pflichten und Grenzen unterrichten. Wenn wir das nicht tun und allein die Frauen stärken, gehen wir zu Formen von Gesellschaft und Familie zurück, in denen Frauen, Mütter und Kinder kulturell, religiös und ideologisch Diskriminierung erfahren. Und das ist ein Bereich, in dem die Kirche handeln kann.“

Angesichts des Mangels an staatlicher Hilfen und Nichtregierungsorganisationen sind katholische Ordensfrauen in Ländern wie Thailand, Indien oder den Philippinen oftmals Vorreiter, was die Hilfe für Opfer sexueller Gewalt betrifft. Mutig und unbürokratisch leisten sie erste Hilfe und bieten Heilung, sie sensibilisieren die Bevölkerung für das Phänomen und knüpfen Hilfsnetzwerke in Zusammenarbeit mit Behörden, internationalen Hilfswerken und Freiwilligen. Schwester Lopez weiß, dass das Problem aus verschiedenen Richtungen angegangen werden muss:

„Wenn man diese Menschen aus dem Milieu heraus nimmt, was ist die Alternative? Wenn es keine Alternative gibt, gehen diese Frauen zurück. Sie brauchen Autonomie und Wahlmöglichkeiten. Und dafür braucht es einen multidimensionalen Zugang.“

Die Ordensgemeinschaft „Schwestern vom Guten Hirten“, gegründet 1835 in Frankreich, hatte sich die Betreuung marginalisierter Frauen und Mädchen seit ihrer Entstehung auf die Fahnen geschrieben; heute ist der Orden in über 65 Ländern auf allen fünf Kontinenten aktiv. Seit 1996 hat er als Nichtregierungsorganisation einen Beraterstatus beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC). In Thailand hat der Orden Hilfszentren für Opfer sexueller Gewalt in Pattaya, Bangkok und im Norden und Nordosten des Landes.


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