Mittwoch, 18. Juli 2012

Thailands langer Weg zur Demokratie





Thailands Weg in die politische Moderne.


Der moderne thailändische Staat hat seinen Ursprung in den Reformen König Chulalongkorns (1868-1910) in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 
Ähnlich wie der zeitgleich verlaufende Modernisierungsprozess im kaiserlichen Japan war diese „Revolution von oben“ (Moore 1969) eine Reaktion von Teilen der alten aristokratischen Herrschaftselite auf den Druck der westlichen Kolonialmächte.
Im Gegensatz zu der zeitgleich stattfindenden Meiji-Restauration war die Monarchie in Thailand jedoch nicht nur das integrative Symbol, sondern auch die politisch dominante Kraft der neuen Ordnung (Wyatt 1969).

                                                     Demokratie Monument in Bangkok


Demokratie in Bangkok?

Vor kurzem zeigten die „Rothemden“ ihre politische und zahlenmäßige Stärke. Am Monument der Demokratie in der Innenstadt von Bangkok herrschte Festivalstimmung. Aus allen Himmelsrichtungen strömten die Menschen heran, sie trugen rote T-Shirts, rote Mützen, rote Fahnen. Es sollen laut Polizei 30.000 Menschen gewesen sein, die sich versammelt hatten, und fast jeder trug irgendwo ein Porträt an seinem Körper. Es war das Konterfei des Mannes, der auf manchen T-Shirts auch als „demokratischer Gladiator“ bezeichnet wurde, des früheren Premierministers Thaksin Shinawatra, der seit dem Militärputsch vom September 2006 im Exil lebt und 2008 in Abwesenheit wegen Korruption verurteilt worden war. 
Noch immer streiten sich die Rothemden mit ihren politischen Gegnern, den sogenannten Gelbhemden, über diese kontroverse Figur. Bloß sei dieser Fokus auf Thaksin zunehmend irreführend, sagt der thailändische Politikwissenschaftler Pavin Chachavalpongpun.




Das Augenmerk sollte vielmehr auf die Zukunft der Monarchie in Thailand gerichtet werden, sagte der Wissenschaftler, der mittlerweile in Japan tätig ist, bei einem Besuch in Bangkok. König Bhumibol, der seit 1946 im Amt ist, ist das am längsten regierende Staatsoberhaupt der Welt. Die glühendsten Verteidiger seiner Regentschaft sind die Gelbhemden, die das sogenannte Establishment vertreten, das sich durch große Nähe zum Königshaus auszeichnet. 


Thaksins Rothemden gehören dagegen zu den weniger gut Betuchten in Thailand, zur armen Landbevölkerung und zu den Niedrigverdienern aus den Städten. Tausende hatten sich auf bunten Plastikunterlagen auf dem Asphalt niedergelassen. Sie versteckten sich unter Sonnenschirmen, die sie zum Schutz vor der brütenden Hitze aufgespannt hatten. Aus Kofferräumen wurden Styroporschüsseln mit Reis gereicht.

Hohe Strafen wegen Majestätsbeleidigung


Offiziell ging es bei der Demonstration um die Rolle der Justiz in der politischen Auseinandersetzung Thailands. Das „gelbe“ Lager versucht ein Gesetz der Regierung von Premierministerin Yingluck Shinawatra, einer Schwester Thaksins, zu verhindern. Die Opposition sieht darin den Versuch, über Umwege eine Amnestie für Thaksin zu erreichen. Die Rothemden dagegen wollen einen möglichen „Justizputsch“ der Gelbhemden unter diesem Vorwand abwehren. Allerdings hatten sich die Rothemden für ihre Demonstration diesmal ein bemerkenswertes Datum ausgewählt. Es war der 80. Jahrestag der thailändischen Revolution. Im Jahr 1932 war das Königshaus zwar nicht abgesetzt worden, es wurde aber die absolute Monarchie durch eine konstitutionelle ersetzt. Es war daher ein Datum, das unter „Hyper-Royalisten“ nicht unbedingt als Anlass für Feierlichkeiten gesehen wird.
So werfen manche Gelbhemden den Rothemden auch immer wieder vor, dass sie hinterrücks nach der Abschaffung der Monarchie trachteten. Gleichwohl war bei der Kundgebung am Demokratie-Monument die Rolle der Monarchie im politischen System offiziell kein Thema. Das wäre auch ein Tabubruch. Denn in dem südostasiatischen Land wird Majestätsbeleidigung strenger geahndet als irgendwo sonst auf der Welt. Es häufen sich Urteile, in denen Blogger und andere wegen Majestätsbeleidigung zu hohen Strafen verurteilt werden. Der entsprechende Artikel 112 diene dabei immer mehr als Waffe in der politischen Auseinandersetzung, sagt der thailändische Politikwissenschaftler Pavin Chachavalpongpun.

 Doch viele dürften sich trotzdem fragen, was denn passiert, wenn irgendwann ein Nachkomme den heute 85 Jahre alten Regenten auf dem Thron ersetzen muss. Pavin Chachavalpongpun hält es für einen der größten Fehler, dass nicht offen darüber diskutiert werden kann. Der Wissenschaftler gehört dabei selbst zu einer Gruppe thailändischer Akademiker, die das harsche Gesetz gegen die Majestätsbeleidigung kritisiert haben. Wie er berichtet, bekommt er dafür mittlerweile sogar Drohanrufe. Darin sieht er eine deutliche Verschlechterung im politischen Klima, das zumindest Akademikern erlaubt hatte, in einem gewissen Rahmen über die Rolle der Monarchie in Thailand nachzudenken.




Im Vergleich zu den Jahren 2008 bis 2010 läuft der Streit derzeit aber trotzdem noch einigermaßen gesittet ab. Von einer Bühne an dem Monument schallte den Rothemden Rockmusik entgegen und später die Stimme eines der Redner, dessen heiser herausgeschriene Parolen mit dem Applaus von Plastikhänden bedacht wurde. Es gab Massagen für müde Rothemdrücken am Straßenrand. Doch manche Thais lässt die politische Auseinandersetzung auch völlig kalt. „Ich habe gar kein Hemd“, sagte ein Taxifahrer in gebrochenem Englisch, als er an den Demonstranten mit roten Fahnen und roten T-Shirts vorbeifuhr. Damit meinte er, dass er sich nicht zu einer der beiden konkurrierenden Lager der Rothemden und Gelbhemden zähle. Politisch habe er vielmehr nur einen Wunsch: ein langes Leben für den König.

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