Nach der Encarta Enzyklopädie ist Toleranz “das Geltenlassen anderer Weltanschauungen, Religionen, Lebensentwürfe und Überzeugungen”.
Niemand, der mit offenen Augen durch dieses Land geht oder gar länger hier lebt, wird abstreiten, daß in Thailand andere Weltanschauungen und Überzeugungen gelten als die, in denen wir aufgewachsen sind. Alle, die wir nach Thailand gekommen sind, um hier zu leben, müssen lernen und begreifen, daß hier vieles anders ist, vor allem die Regeln gesellschaftlichen Zusammenlebens. Oder anders gesagt, daß hier andere Spielregeln für das menschliche Zusammenleben gelten als die, die wir von klein an gelernt haben und gewohnt sind. Aber wie kommt jemand eigentlich auf die hirnrissige Idee, daß wir Farangs in Thailand die Wahl haben, die Regeln, die in diesem Land gelten, zu tolerieren oder nicht? Wer glaubt, nur weil die Farangs in diesem schönen Land Geld hinlegen, um die Strände und die Mädchen zu benutzen, müßten die Thais ihnen dankbar sein und sich nach ihren Wertvorstellungen richten, der hat den falschen Aufenthaltsort gewählt. Uns, die wir freiwillig in dieses Land gekommen sind, um hier zu leben, bleibt doch gar nichts anderes übrig, als diese anderen Spielregeln gelten zu lassen und uns damit zu arrangieren.
Für Farang, die in Thailand leben wollen, geht es doch nicht um die Frage, ob Thais gut oder schlecht sind. Wie in jedem Land der Welt trifft man hier Gute und Böse, höfliche Menschen und Rüpel, Hilfreiche und Selbstsüchtige, Freigiebige und Gierige. Sondern es geht vielmehr darum, dass man sich über die Mentalität der Menschen, unter denen wir hier leben, keine Illusionen macht und sich selbst darüber klar wird, ob man unter ihnen leben kann oder nicht.
Die Frage kann deshalb für uns nicht lauten, ob wir die Verhältnisse hier tolerieren oder nicht – wie kämen die Thais dazu, wegen der paar tausend Farangs, die sich entschlossen haben, unter ihnen zu leben, ihre Wertvorstellungen zu ändern? Sondern sie muß lauten, wie können wir uns mit diesen Verhältnissen arrangieren? Was jeder, der hier leben will, begreifen muß ist, daß es sinnlos und letztlich nervenaufreibend ist, zu versuchen, den Thais zu erklären, was sie besser machen sollten. Typisch deutsches Denken in und über Thailand ist eher hinderlich als nützlich.
Wer es nicht halbwegs auf die Reihe bekommt, sein sogenanntes “deutsches Denken“ abzustellen und konstant versucht, Thais zu ändern, ihnen Vorschriften zu machen oder einfach nur beizubringen deutsch zu denken, der bekommt früher oder später Magengeschwüre oder springt aus dem Fenster.
Korruption oft letzte Rettung
Wohlgemerkt, ich meine hier nicht den verbalen Protest in einem Forum oder einer Zeitung, die kein Thai liest, sondern den Widerstand im täglichen Leben gegen all das, was unseren eigenen Überzeugungen zuwider läuft. Jeder ist selbstverständlich der Meinung, daß die Korruption ein Übel ist, das man nicht tolerieren kann. Wer aber hier lebt, der muß sich fragen lassen, wie er denn in Thailand irgendeine Angelegenheit bei einer Behörde regeln will, ohne ein entsprechendes Bakschisch hinzulegen. Jeder ist gegen Korruption, solange, bis ihm selbst 500 Baht an einen Verkehrspolizisten mal helfen, nicht wegen Trunkenheit am Steuer in den Knast gehen zu müssen.
Zugegeben: Alle, die wir nach Thailand gekommen sind, um hier zu leben, haben das mit falschen bzw. romantischen Vorstellungen getan. Aber mit der Zeit haben wir alle lernen und begreifen müssen, daß hier vieles anders ist, vor allem die Regeln gesellschaftlichen Zusammenlebens. Dinge, die wir nach unserer anerzogenen westlichen Weltordnung als verdammenswert ansehen, sind hier ganz normal. Und Dinge, die wir als ganz normal und selbstverständlich ansehen, veranlaßt die Thais, uns für „baba-bo-bo”, sprich: etwas verrückt zu halten.
Ich sehe heute Thailand als meine Heimat an, es tut mir deshalb aber auch manchmal leid, wenn ich die vielen Verbesserungsmöglichkeiten sehe und die Gleichgültigkeit, mit der sie ignoriert werden. Das gilt auch für die uns Farangs manchmal sehr seltsam erscheinende praktische Anwendung der demokratischen Grundregeln durch die politische Führung.
Die Thais sind es aber gewohnt, so regiert zu werden und sich mehr oder weniger in dieser Situation einzurichten. Wir Farangs, die in Thailand leben, täten gut daran, es den Thais nachzutun. Thais denken in der Regel nicht auf einer linearen Zeitschiene, so wie wir. Hier ist der Kreislauf der Maßstab der Dinge; alles kehrt wieder. Nach diesem Leben kommt das nächste, nach Unglück kommt Glück. Nach dem Hunger kommt die Völlerei, nach der Satang-Losigkeit kommen ein paar hundert oder tausend Baht. Also nutzen sie die Gelegenheit, wenn es ihnen gut geht und zerbrechen sich weniger als wir Farangs den Kopf darüber, wie man Dinge, die ja nach ihren Begriffen erträglich funktionieren, noch verbessern kann.
Gewiß unterscheidet sich auch das, was die Thais unter Demokratie verstehen von dem Begriff, den wir Farangs davon haben. Aber wir sind doch nicht nach Thailand gekommen, um den Thais unsere westlichen Wertvorstellungen von politischer Integrität oder Wohlverhalten beizubringen.
Anpassung unerlässlich
Wer glaubt, nur weil die Farangs in diesem schönen Land die Strände und die Mädchen benutzen, müßten die Thais ihnen dankbar sein und sich nach ihren Wertvorstellungen richten, der hat den falschen Aufenthaltsort gewählt. Ich jedenfalls bin nicht in dieses Land gekommen, um den Thais beizubringen, was wir Farangs unter Sauberkeit und Ordnung oder unter Demokratie und Menschenrechten verstehen, sondern um hier ein ruhiges und zufriedenes Leben zu führen. Sich gegen die hier herrschenden Gesetze und Bräuche zu stemmen ist ähnlich schlau, wie sich gegen die Schwerkraft aufzulehnen. Ich kann mich lediglich fragen, akzeptiere ich dies als meine Welt, und möchte ich hier leben und älter werden? Den Thais kann es doch im Grunde egal sein, ob wir ihr Tun und Handeln tolerieren. Der Farang, der es aber nicht tut, wird hier kein Bein auf die Erde kriegen.
Ich gebe gerne zu, daß das Schimpfen über Dinge, die einem gegen den Strich gehen, Stuhlgang für die Seele sein kann. Auch ich schreie schnell mal laut „Scheiße“, wenn mir was daneben geht oder ich wegen der Thai-Mentalität meiner Leute an die Decke gehen könnte. Aber welchen Sinn hat es, ständig über Maßnahmen der Thai-Regierung zu lamentieren, die im Grunde darauf abzielen, die Verfremdung ihres Landes abzuwehren. Sie bestimmt, wie hier der Hase läuft, und da sie vom Volk gewählt ist, hat sie das Recht dazu.
Ist es nicht viel sinnvoller, den Farangs, die blauäugig in dieses Land kommen, aufzuzeigen, welches die Stolpersteine sind, vor denen man sich in acht nehmen oder auf die man sich einrichten muß? Von der offenen Hand der Behördendiener und der Unzuverlässigkeit der Ordnungshüter bis zur Abzockmentalität der Barmädchen und ihrer Familien.
Worauf es ankommt, ist das Erkennen der Realitäten, die uns alle hier umgeben. Nicht um sich darüber zu entrüsten oder in Leserbriefen oder Thaiforen zu beklagen, sondern um sich darauf einzustellen und einen Weg zu suchen, mit den Dingen, die so ganz anders sind als in Deutschland, zurechtzukommen. Erkennen ist aber weder gleichzusetzen mit Gutheißen noch mit Verurteilen. Jedes Volk hat seine spezifischen Eigenheiten. Und die haben wir zu akzeptieren, wenn wir in ihrem Film mitspielen wollen.
Zusammengefaßt noch einmal mein Credo: Ich lebe hier aus freiem Entschluß und habe mich mit den Verhältnissen eingerichtet, weil mir hier viel mehr Dinge gefallen als mißfallen. Darum lebe ich gern in diesem Land. Insgesamt bietet mir das Land unzählige Vorteile, die sich jedem darbieten, der die Augen öffnet. Aber wer hierher kommt, um im Paradies zu leben, der hat mit Zitronen gehandelt. Und wer nach Thailand zieht, weil er zu Hause mit seinem Leben nicht klar kommt, der kommt hier auch nicht klar damit. Ein Landeswechsel löst nicht alle Probleme, er schafft höchstens neue.
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